Josef Röösli
Entlebucher Musikerinnen-Musiker
Joseph Röösli Schüpfheim, *1935
Der Zwölfjährige, der sich etliche Male heimlich in den grossen Adler-Saal schlich, sich hinten
unter dem Zuschauerpodest versteckte und mit Leib und Seele die Proben zu
«Les cloches de Corneville» mitverfolgte, bis er die Operette in- und auswendig kannte, war
der zweitjüngste Sohn des Sakristans. Kaum ein Jahr älter, wurde er bei der
allwöchentlichen Reinigung der mächtigen Kirche jeweils an die Orgel «delegiert»:
Zur musikalischen Unterhaltung der älteren Geschwister.Stundenlang konnte er dort
improvisieren… und dabei kamen – neben kirchlichen Harmonien – natürlich auch
mal die «Cloches de Corneville» oder ein bekannter Schlager zu ekklesiastischen
Ehren. Als sechstes von sieben Kindern kam Joseph Röösli am 5. September 1935
im alten Sigristenhaus von Schüpfheim zur Welt und verbrachte hier eine mit
Volksmusik durchtränkte Jugend. Sie wird ihn das ganze Leben hindurch
begleiten. Aber dabei blieb er nicht stehen. Mit fünfzehn fand er ganz zu Chopin.
Und bald darauf entdeckte er im Lehrerseminar Hitzkirch,das er von 1952 bis
1957 besuchte, unter der Leitung Josef Pfennigers seine Leidenschaft für Bach.
Die ersten Sporen verdiente sich der 22-Jährige daraufhin in Hohenrain, nicht
nur als Chorleiter und Organist,sondern auch als Lehrer der Erst- bis Drittklässler
– mit über 60 Schülern in einem Raum! In diesen drei Jahren bildete er sich
zudem an der Kirchenmusikschule in Luzern weiter (u.a. unter dem
legendären Johann Baptist Hilber) und wechselte später ans Konservatorium
(Orgel bei Rudolf Sidler und Klavier bei Hubert Harry). Es folgten drei
weitere Jahre in Dagmarsellen mit ähnlichem Aufgabenumfeld. Dazu der
Besuch des Schulmusikseminars in Zürich unter dem charismatischen
Willy Gohl – eine weitere Lehrerpersönlichkeit, die ihn entscheidend
mitgeprägt hat. Doch dann kam die Stunde der Berufung: der 27-Jährige
wurde als Musikdozent ans Lehrerseminar Hitzkirch
gewählt und erfüllte die damit verbundenen Aufgaben während 36 Jahren
mit wachsendem Erfolg. Ausserdem ist er seither Kirchenmusiker an der
dortigen Pfarrei St. Pankratius. Bei allem, was er anpackte, ging es ihm
letztlich darum, den angehenden Pädagogen die Fähigkeit zu vermitteln,
ihren Schülern die Freude an der Musik weiterzugeben.
In diesem Sinne lag ein Schwerpunkt seiner Arbeit in der Methodik und
Didaktik der Musikerziehung. Das fand seinen Niederschlag in fruchtbarer
Zusammenarbeit mit anderen Musikpädagogen und in zahlreichen
Publikationen. 1966 heiratete «Schosef» Irma Fähndrich, die ihn seither
einfühlsam in seinem überaus vielseitigen Wirken im Dienste der Musik
unterstützt. Gemeinsam haben sie vier Kinder. Im Jahr darauf gründete
er den Jugendchor Hitzkirch, der unter seiner Leitung nicht nur im
Gottesdienst, sondern auch in Konzerten zu hören war – und darüber
hinaus auf einem runden Dutzend Schallplatten! Bereits drei Jahre
später, 1970, ist Röösli Mitbegründer der Musikschule Hitzkirch und ab
diesem Jahr auch Lehrer an der Akademie für Schul- und Kirchenmusik
in Luzern, ja von 1973 bis 1979 dortiger Abteilungsleiter Schulmusik.
Doch damit war das Pensum noch lange nicht voll genug. Seit 1971
war er Cembalist im Barockensemble Luzern. 1972 Gründer des
Hitzkircher Konzert-Zyklus und seit 1977 Mitarbeiter und später
Leiter des «Forum für Musik und Bewegung Lenk».
Und dem grossartigen neuen Orgelwerk, das von Armin Hauser ins
300-jährige Gehäuse in St. Pankratius eingebaut worden ist, konnte er
natürlich auch nicht widerstehen: Gleich half er 1986 die «Hitzkircher
Orgelnacht» zu gründen, gab eindrückliche Orgel-konzerte – und findet
an dem neuen Instrument auch immer wieder inneren Ausgleich und
schöpferische Erholung. Schöpferische Impulse haben den Weitgereisten
sein Leben hindurch begleitet. In zwei ersten, noch bescheidenen
kreativen Phasen entstanden zwischen 1954 und 1960 drei
Eichendorff-Lieder (mit Klavierbegleitung) und vier geistliche Werke für
Gemischen Chor (darunter die vierteilige Ordinariumsmesse mit Orgel).
Und später, in den Jahren 1979 und 1980, drei geistliche Lieder
(für Stimme und Klavier) sowie drei weltliche Chorsätze. Seit Mitte der
Achtzigerjahre trat die kompositorische Tätigkeit dann in den
Vordergrund. Eine Fülle unterschiedlichster Werke sprudelte gleichsam
hervor. Ein vielgerühmter Wurf wurde 1993 zweifellos die gemässigt
moderne Kantate Luzernerland, in der sich vergangenes Brauchtum
sinnreich mit neuem Bewusstsein verbindet, und Land mit Stadt, und
sich volkstümliche Instrumentaltänze mit herrlichen Liederchorsätzen
abwechseln. Einzigartig darin die ergreifende Vertonung einer
schlichten anonymen Textmelodie aus Schüpfheim von 1916: Am
Sommer. Im Rahmen seines Abschiedskonzerts in St. Pankratius
fand am 15. Mai 1998 die Uraufführung der Stufen statt, nach dem
berühmten Gedicht von Hermann Hesse. Die Wahl dieses Textes ist
bezeichnend für die tiefgründende Spiritualität des Komponisten. Das
bezeugen auch viele andere von ihm vertonte Dichter, so Rainer
Maria Rilke, Rudolf Alexander Schröder, Lama Anagarika Govinda,
Pierre Stutz, Dietrich Bonhoeffer und nicht zuletzt auch: Erika Burkart.
1995 wurde der vielseitige Pionier moderner Schulmusik mit dem
Kulturpreis der Innerschweiz ausgezeichnet. Was ihn freilich noch weit
mehr auszeichnet, ist eine strenge und freundschaftliche Güte, die von
ihm ausstrahlt: eine «aufmunternde, immerfort auf Positives hinzielende
visionäre Kraft». Man lernt nur von dem, den man liebt.
Werkverzeichnis
Methodisch-didaktische Lehrmittel
Didaktik des Musikunterrichts, Hauptwerk (Comenius, 1991) • Werkhefte,
zusammen mit Hans Zihlmann und B. Linggi (Comenius, ab 1990)
• Männli, spil e chly und Mein Erlebnis Musik, mit Walter Keller-Löwy
(Pelikan-Hug, 1970 und 1975) • Schwingungen – Musik
Geistliche Hauptwerke
Stern im Meere, für Gemischten Chor (1956) • Tantum ergo (Thomas
von Aquin), für Gem. Chor (1956) • Dominus dixit, für Gemischten Chor
und Orgel (1958) • Messe für Gemischten Chor und Orgel (1960)
• Psalm 84 (Wie liebenswert), Gem. Chor, Instr., Orgel (1984) • Die
Geschichte von Moses, für Gem. Chor und Instr. (1984) • Alles, was
Odem hat, f. Sopran, Sprecher und Orgel (1985) • Das Hohe Lied, für
Sopran, Bariton und Instr. (1988) • Laetare, für Orgel (1990) • Passion
nach Johannes, für 4-st. Gemischten Chor (1992) • Alleluja, für Gem.
Chor, Flöte, Piccolo und Orgel (1997) • Weihnachtskantate, Gem. u.
Kinder-Chor, Orchester (2000) • Missa Mundi, für Gem. Chor, Flöte,
Piccolo u. Orgel (2003) • Vom Dunkel ins Licht, für Gemischten Chor
(2003) • Chormusik für den Eidg. Bettag, für Gem. Chor (2004)
• Sonnengesang (div. Dichter) für Gem. Chor u. Instr. (2006) • Loben-
Danken-Bitten (P. Hunger), Spr., Chor u. Instr. (2006) • Alles hat seine
Zeit (div. Dichter), Gem. Chor u. Instr. (2007) • Walt' Gott (Eichendorff ),
Gem. Chor und Instr. (2007) • Gesegnet sei dein Dasein (Pierre Stutz),
Gem. Chor (2007) • Kantate: Auf Erden gehest du (2008)
sowie 15 geistliche Lieder und Chorsätze in diverser Besetzung
Weltliche Hauptwerke
Feierliche Abendmusik (Hesse), Sprecher u. Klavier (1977) • Nicht Bach,
sondern Meer, Sing- und Sprechstück, Instr. (1985) • Audite, silete
(16. Jhd.), 2 Sprechstimmen, Bläser, Orgel (1986) • Tänze aus der Innerschweiz,
für 3 Instrumente (1988) • Die vier Jahreszeiten, Jugendchor,
FIöte u Orff-Instr. (1988) • Die vier Elemente, für Sänger, Sprecher u.
Instr. (1989) • I han es Schätzli (5 Volksliedtexte), Gem. Chor (1989)
• Morgen – Mittag – Abend – Nacht, 2 Orgeln u. Perkussion (1991)
• Inspirationen aus Ladakh, für Stimmen und Orgel (1992) • Luzernerland,
Kantate f. Chor, Sprecher und Instr. (1993) • Labyrinth (Beat Vonarburg),
Gem. Chor und Instr. (1994) • Stufen (Hesse), Gem. Chor, Flöte,
Violine u. Orgel (1997) • Von Innen nach aussen nach innen, Bläserquintett
(1997) • Und… (Rose Ausländer), Liederzyklus f. Bariton u.
KIavier (1998) • Heiteres Herbarium (Waggerl), Gem. u. Frauenchor
(1999) • Wo bist du gr. Gesang (G. A. Mayor), Bariton-Liederzykl. (2000)
• Vergessen? (Eduard Kloter), für Sprecher u. Klavier (2001) • Himmel
aber (Erika Burkart), Sopran-Liederzyklus (2002) • Das letzte Spiel
(Erika Burkart), Sopran-Liederzyklus (2003) • 10 Liedersätze (Hans Roelli),
Gem. Chor und Instr. (2005) • Gesang der Geister (Goethe), Gem. Chor u.
Instr. (2005) • Der Tanz des Feuers (Anonym), Gem. Chor u. Instr. (2006)
• Was klingt wirdWelt (P. Strassmann), Sopran u. KIavier (2006)
sowie 21 weltliche Lieder und Chorsätze in unterschiedlicher Besetzung
Liedsammlungen
Schläft ein Lied in allen Dingen, Lieder, Kanons und Chorsätze (2000,
Verlag: pan 907) • Von Liebe und Hoffnung (2004) • Von Sehnsucht und
Erfüllung (2005) • Von Klang und Stille (2007) • Von Leid und Freude
(2008): jeweils Lieder und Kanons im Eigenverlag
Ausserdem Mitautor, u.a. von Hans Zihlmann und Hansruedi Willisegger,
an den Liedsammlungen: Tanzen und springen, lachen und singen (1975)
• Und die Spatzen pfeifen lassen (1978) • Schweizer Singbuch Mittelschule
(1979) • Die Kanonspirale (1982) • Luzerner Lieder (1989)
• Lenker Liederheft (1992) • Salü (1993) • Viva (1999)
sowie Komponist vieler Begleitsätze im Orgelbuch zum Katholischen
Gesangbuch
Discographie
12 Schallplatten mit Kinder-, Jugend- und Volksliedern, vorwiegend mit
dem Jugendchor Hitzkirch (1975–1986) sowie 6 CD’s mit eigenen
Werken (u.a. Luzernerland, Missa Mundi, ein Erika Burkart-Liederzyklus
Alter Pfeifermarsch (Escholzmatt 1906) bearbeitet von Josef Röösli
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